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Ideen und Kommentare zur Lektüre

Heinrich Heine: Deutschland. Ein Wintermärchen (1844)

1 Kommentar schreiben zu Absatz 1 0 CAPUT I

2 Kommentar schreiben zu Absatz 2 0 Im traurigen Monat November wars,
Die Tage wurden trüber,
Der Wind riss von den Bäumen das Laub,
Da reist ich nach Deutschland hinüber.

3 Kommentar schreiben zu Absatz 3 0 Und als ich an die Grenze kam,
Da fühlt ich ein stärkeres Klopfen
In meiner Brust, ich glaube sogar
Die Augen begunnen zu tropfen.

4 Kommentar schreiben zu Absatz 4 0 Und als ich die deutsche Sprache vernahm,
Da ward mir seltsam zu Mute;
Ich meinte nicht anders, als ob das Herz
Recht angenehm verblute.

5 Kommentar schreiben zu Absatz 5 0 Ein kleines Harfenmädchen sang.
Sie sang mit wahrem Gefühle
Und falscher Stimme, doch ward ich sehr
Gerühret von ihrem Spiele.

6 Kommentar schreiben zu Absatz 6 0 Sie sang von Liebe und Liebesgram,
Aufopfrung und Wiederfinden
Dort oben, in jener besseren Welt,
Wo alle Leiden schwinden.

7 Kommentar schreiben zu Absatz 7 0 Sie sang vom irdischen Jammertal,
Von Freuden, die bald zerronnen,
Vom Jenseits, wo die Seele schwelgt
Verklärt in ewgen Wonnen.

8 Kommentar schreiben zu Absatz 8 0 Sie sang das alte Entsagungslied,
Das Eiapopeia vom Himmel,
Womit man einlullt, wenn es greint,
Das Volk, den grossen Lümmel.

9 Kommentar schreiben zu Absatz 9 0 Ich kenne die Weise, ich kenne den Text,
Ich kenn auch die Herren Verfasser;
Ich weiss, sie tranken heimlich Wein
Und predigten öffentlich Wasser.

10 Kommentar schreiben zu Absatz 10 0 Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich Euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.

11 Kommentar schreiben zu Absatz 11 0 Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch
Was fleissige Hände erwarben.

12 Kommentar schreiben zu Absatz 12 0 Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.

13 Kommentar schreiben zu Absatz 13 0 Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.

14 Kommentar schreiben zu Absatz 14 0 Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,
So wollen wir Euch besuchen
Dort oben, und wir, wir essen mit Euch
Die seligsten Torten und Kuchen.

15 Kommentar schreiben zu Absatz 15 0 Ein neues Lied, ein besseres Lied,
Es klingt wie Flöten und Geigen!
Das Miserere ist vorbei,
Die Sterbeglocken schweigen.

16 Kommentar schreiben zu Absatz 16 0 Die Jungfer Europa ist verlobt
Mit dem schönen Geniusse
Der Freiheit, sie liegen einander im Arm,
Sie schwelgen im ersten Kusse.

17 Kommentar schreiben zu Absatz 17 0 Und fehlt der Pfaffensegen dabei,
Die Ehe wird gültig nicht minder –
Es lebe Bräutigam und Braut,
Und ihre zukünftigen Kinder.

18 Kommentar schreiben zu Absatz 18 0 Ein Hochzeitscarmen ist mein Lied,
Das bessere, das neue!
In meiner Seele gehen auf
Die Sterne der höchsten Weihe –

19 Kommentar schreiben zu Absatz 19 0 Begeisterte Sterne, sie lodern wild,
Zerfliessen in Flammenbächen –
Ich fühle mich wunderbar erstarkt,
Ich könnte Eichen zerbrechen!

20 Kommentar schreiben zu Absatz 20 0 Seit ich auf deutsche Erde trat,
Durchströmen mich Zaubersäfte –
Der Riese hat wieder die Mutter berührt,
Und es wuchsen ihm neu die Kräfte.

Quelle:http://www.thmichel.com/texte/2013/03/28/heinrich-heine-deutschland-ein-wintermarchen-1844/